You are currently viewing Der Ego-Trip – Woche Sechszehn

Der Ego-Trip – Woche Sechszehn

Anfang wie Ende

Der Montag ist so ein Tag. Da will ich so gern ein anderes Leben. Da zieht mich alles runter. Besonders die Gravitation. Da will ich nur noch allein sein. Um in meinem eigenen Elend ertrinken zu dürfen. Ohne der Welt mein ewiges Froh-Gesicht zu zeigen. Immer zuversichtlich, immer freundlich, immer “alles gut”…

Der Samstag ist auch so ein Tag. Da bin ich wider besseren Wissens draußen unterwegs. Und das Draußen ist gegen mich. Und das gleich zweimal. Geht’s noch beschissener? Gefangen im Alptraum des ewigen Sturzes. Vor meinem geistigen Auge erscheint eine Stadtkarte, darin markiert sind alle meine Sturz-Punkte. Und das ganz ohne Sturz-besoffen.

Die Knie blutig und das Ego wund

Am Montag sind mir die Pflastersteine im Weg. Ich stolpere über sie. Am Samstag sind es der aufgeworfene Asphalt und die Bordsteinkante. Der gebaute Untergrund ist gegen mich. Und ich wüte innerlich gegen die ganze Welt. Wie kann sie sich mir nur in den Weg stellen!? … Alles soweit in Ordnung. Wenn nicht beide Knie wieder mal aufgeschürft, blutig und schmerzend den Kürzeren ziehen.

Am Montag heben mich freundliche Menschen zurück auf die Beine. Weil ich es aus eigener Kraft nicht schaffe. Am Samstag dasselbe. Da bekomme ich sogar Geleitschutz über die Straße. Alle freundlich und hilfsbereit … Alles auch soweit in Ordnung. Wenn nicht das Ego wäre, das in Woche Sechzehn eine Schau abzieht, haste nich’ gesehn.

Mein Ego ist auf dem Ego-Trip: Die Welt ist schlecht. Das Leben ist besch…eiden. Warum nehmen die Wege kein Ende. Warum laufen mir die Leute ständig vor den Füßen rum. Wie viel Behinderung muss ich noch haben, damit ich von Anderen nicht mehr behindert werde.

Nein! Mein Leben ist kein Ponyhof. Nein, liebe Marie! In Woche Sechzehn bin ich keine Ritterin. Und Nein! Diesmal will ich kein Baron Münchhausen sein, der sich selbst am Kragen aus dem Dreck zieht. Diesmal will ich drin versinken. Das habe ich mir verdient. Denn die Welt ist gegen mich.

Mein Ego ist auf dem Ego-Trip und übernimmt das Gedanken-Denken. Es suhlt sich im Selbstmitleid. Es hadert mit der Welt. Und es sind immer die Anderen!

Und während das Ego diese apokalyptischen Gedanken denkt und ich den Ego-Jammer heraus weine, keimt langsam ein neuer Gedanke in mir, der eindeutig NICHT vom Ego gedacht ist. Ich erinnere mich an die Worte von Konfuzius:

“Die Menschen stolpern nicht über Berge, sondern über Maulwurfshügel.”

008_Konfuzius_MaulwurfshügelQuelle: Marit Mueller

Warum muss der Typ mir ausgerechnet jetzt mit so ‘nem Spruch kommen!? Und auch noch Recht haben…

Ja. Ich stolpere über meine Erwartungen an mich selbst. Über meinen Ehrgeiz. Über meinen Anspruch, zu funktionieren. Ich handle wider besseren Wissens: Ich muss nicht den Fuß vor die Tür setzen, wenn ich doch weiß, dass es in wilder Anstrengung enden wird. Ich stolpere über meine Erwartungen an meine Umwelt. Ich bin nicht perfekt. Wie kann dann die Welt perfekt sein für mich Un-Perfekte?

Mir das einzugestehen, ist nicht einfach… Tut weh. Aber macht mich frei für den Rückweg. Zurück zur Balance. Zurück zu einem gezähmten Ego. Dem ich keine Bühne mehr bieten will zur Selbstdarstellung.

Woche Sechzehn

Meine Woche Sechzehn endet nach durchwachsenen sechs Tagen mit einem sonnigen Sonntag. Und der Erfahrung, dass ein Ego-Trip eine gewisse Ähnlichkeit hat mit einem Drogen-Trip: Das Aufspringen gelingt mühelos – besser gesagt, geschieht fast unbemerkt. Für das Runter Kommen bedarf es der eigenen Erkenntnis:

“Anfang wie Ende – Die Knie blutig und das Ego wund. Woche Sechzehn.”

008_Haiku_AnfangWieEndeQuelle: Marit Mueller

Sechs Tage von Woche Sechszehn war ich auf dem Ego-Trip. Auf und Ab. Die Läuterung kam am siebten Tag. Die Verarbeitung dauert weiter an. Mit diesem Text, aus Woche Siebzehn.

Die Idee der Sturz-Karte werde ich weiter verfolgen! Da mache ich ein Kunst-Performance draus. Wäre doch gelacht, wenn ich meine Sturz-Koordinaten nicht zu einem allgemeinen Happening ausweiten kann. Soll’n ruhig alle was von haben! *kicher*


LITERATUR

Eckhart Tolle: Jetzt! Die Kraft der Gegenwart, J. Kamphausen Verlag & Distribution GmbH, Bielefeld 2000.

Teile diesen Beitrag!

Bildquellen

Schreibe einen Kommentar