Immer wieder werde ich angeschrieben mit der Frage, wie ist das nun mit der Ayurveda-Kur, die ich gemacht habe.
Ob ich’s nun empfehlen kann oder nicht…
Ob’s mir was gebracht hat oder nicht…
Also erlaube ich mir drei Jahre nach meiner letzten Therapie eine Zusammenfassung, eine Essenz aus insgesamt 165 Tagen Aufenthalt in einer Ayurveda-Klinik für MS.
Meine MS und Ayurveda
Ich habe meine Diagnose seit Anfang 2001. Und bin erst in meinem 12. Diagnosejahr in die Welt des Ayurveda eingestiegen. Vorher wäre ich
a) nicht zu so was „Abgefahrenen“ bereit gewesen. Und
b) war es Anfang der 2000er Jahre (für mich) nicht so einfach, an alternative Infos zu kommen.
Gleichzeitig ist meine MS von progredienter Natur, was jedwede Form von Behandlung irgendwie schwierig macht.
Auch der indische Doktor sagt, „Lass dich so früh wie möglich behandeln, dann ist die MS einfacher einzuhegen.“ Wenn sich die MS manifestiert hat, liegt auch im Ayurveda eher das Augenmerk auf Symptom-Verbesserungen.
Also, ich bin –was die Heilungsaussichten der MS angeht– zu spät ins Ayush Prana (ext. Link) gekommen, der Ayurveda-Klinik, die sich auf die Behandlung von MS spezialisiert hat – geleitet von Dr. Prasanth Raghavan.
Dennoch sind unter den Behandlungen Verbesserungen eingetreten:
1. und 2. Kur
- Ich habe mehr Gefühl für meinen Körper bekommen, ich kann seine Regungen besser interpretieren. In Teilen habe ich mehr Zugang/Gefühl zu meinen Füßen, sie sind weniger „klumpig“ in den Schuhen.
- Ich habe wieder ein Gefühl für beide Augen bekommen, ich kann wieder aktiv gucken. Klingt voll eso, soll aber heißen: Es immer so, dass ein Auge aktiv guckt, das andere hält sich zurück. Das passiert i.d.R. unbewusst, und beide wechseln sich auch in der Führung ab… Bei mir schien es aber bis dahin so, dass ein Auge ohn‘ Unterlass führte und das andere passiv blieb, ohne Wechsel. Das änderte sich, ich kann -wenn ich mir dessen bewusst werde-, bestimmen, welches Auge führt. (Nachtrag vom 24.02.2020, weil mach‘ Gutes einfach untergeht.)
3. Kur
- Ich habe Gewicht zugelegt, denn ich bin untergewichtig angereist. Jetzt verstehe ich den Zusammenhang aus Hunger/Sättigung, Nahrungsaufnahme und gesunder (!) Gewichtszunahme.
Und unter der Therapie wurden einige nervige Nebenschauplätze weggeräumt:
- Der Heuschnupfen ist nach der ersten Kur weggegangen.
- Die wiederkehrenden Bindehautentzündungen sind nach der zweiten Kur weggegangen.
- Mit der dritten Kur bricht mein Herpes Zoster nicht mehr stark aus.
Ich war für 2x 60 Tage im Ayush Prana, 2013 und 2013/14 sowie für 45 Tage in 2017.
Neueste Entwicklung ist die im Google Play Store verfügbare App MS AyushPrana (ext. Link) mit Informationen u.a. zu MS spezifischer Ernährung und Bewegung.
Leben und Alltag im Ayush Prana
Ayush Prana ist lokalisiert in Indien/Kerala/Ernakulam/Malayattoor/Illithode, die ungefähren Koordinaten im Google Maps: 10.197963, 76.530886.
Das Center liegt abseits großer Städte, im Dorf Illithode, am Fluss Periyar. Danach kommen „nur noch der Dschungel und der Tiger“.
Die Lokalsprache ist Malayalam, Centersprache ist Englisch.
Therapie | Angewandt werden hier Therapien des keralesischen Ayurveda, der gegenüber dem klassischen Ayurveda vermehrt mit Ölanwendungen arbeitet. Eine klassische Panchakarma-Kur mit den bekannten 5 Anwendungen findet nicht statt, wie wohl Teile daraus nach individueller Anamnese Anwendung finden, bei mir u.a.: Nasya (Nasenspülung), Bastis (Einläufe). Hervorzuheben ist die tägliche Anwendung von Shirovasti als Haupttherapie, einem mit warmen Öl gefüllten Hut, mittels dem das medizinierte Öl bis ca. 1h50 auf Kopf und Gehirn einwirkt.
Bauliches | Das Center ist nicht 100% barrierefrei. Bei körperlichen Einschränkungen (v.a. bzgl. freies Laufen, selbständig Dinge ein-/zweihändig tragen, Körperpflege, tw. Absätze/Treppen steigen) empfiehlt sich eine Begleitperson, die unterstützt. Assistenz nach europäischem Maßstab wird nicht angeboten. Für meinen dritten Aufenthalt hatte ich meinen Freund mitgenommen zur Unterstützung.
Flora und Fauna | Die Flora ist grandios, nahe am Wald und Fluss gelegen ist das Ressort eher ein schattiger Garten (und merklich kühler als in der nahen Stadt). Die Fauna ist gewöhnungsbedürftig, alles ist größer und hungriger. Meine Tipps: Pfeif auf dein Karma, töte die großen Spinnen – denn die kommen um zu bleiben. Ameisenverseuchte Lebensmittel auf weißem Papier in praller Sonne ausbreiten – das vertreibt sie. Ein eigenes groooßes Moskitonetz mitbringen – oder ausreichend Hansaplast zum Verkleben der Löcher im vorhandenen Netz.
Menschliches | Du wirst in einen anderen Kulturkreis hineingeworfen, was spannend ist. Du musst dir neue Routinen zulegen. Die Tage vergehen im Rhythmus der Therapien, und sind doch auseinander zu halten. Der Gleichklang ist für einige schwer auszuhalten, dich darauf einzulassen, bringt dir aber die Chance auf Erkenntnis über dich selbst und deine Haltung zur Welt. Die TherapeutInnen, Arbeiter- und KöchInnen sind unglaublich freundlich und liebenswürdig. Lass dich aber nicht vom dauernden fröhlichen Kopfwackeln einlullen: Sie setzen nur die Anweisungen vom Doktor um – alle Anliegen sollten über ihn laufen.
Persönliches | Meine Aufenthalte in Indien waren große Abenteuer. Eine der wenigen Male, in denen ich „einfach drauflos“ gehandelt hab. Ich bereue nicht, dass ich die 3 Kuren gemacht habe.
Sie haben mich vielleicht nicht in einem objektiven „Zurückdrängen“ der MS weitergebracht, aber stattdessen im Verstehen meines Selbst, und damit auch der Krankheit.
Allein schon der Menschen, der Sonne, Düfte und Geräusche wegen, würde ich mich lieber heute als morgen nochmal aufmachen.
Kurkosten
Der Tag kostet pro Patient zwischen 100 und 130 EUR (mein Stand: 2017), abhängig von der Unterbringung. Dieser Preis beinhaltet
- Kost,
- Logis, hier preisgestaffelt nach 3 Komfortkategorien (Größe, Ausstattung)
- Behandlung (Anwendung, Öle, Medizin)
Für eine Begleitperson werden nur Kost und Logis berechnet, beide Punkte fallen aber eher nicht ins Gewicht. Die Behandlung schluckt ca. 70-80% der Kosten.
Es wird eine Behandlungsdauer von mind. je 60 Tagen über 3 Jahre empfohlen.
D.h. du kommst je Aufenthalt auf Kosten von 6.000 – 8.000 EUR bei 60 Behandlungstagen. Dazu kommen Flug, Visa, ggf. Versicherung, und „Taschen- und Trinkgeld“.
Kontakt und Konsultationen vorab
Dr. Prasanth ist i.d.R. im 1. Quartal für eine kurze, im Sommer für längere Zeit in Deutschland und lässt sich dann auch konsultieren. Das würde ich auch bei Interesse empfehlen, denn so kann er sich einen ersten Eindruck vom Patienten verschaffen.
Empfehlenswert ist der Kontakt zu Simona Gerber, der Assistentin des Doktors vor Ort (ext. Link öffnet dein Emailprogramm). Sie koordiniert die Center-Belegung und kann dir weitere Infos geben.
Die Konsultationen in Deutschland werden über die Naturheilpraxis von Sandra Stadick/Nürnberg arrangiert.
Resümee und Rausschmeißer
Die Therapien empfehle ich uneingeschränkt.
Da das Center nicht nach deutschem Standard barrierefrei ist, musst du abwägen, ob die Infrastruktur für dich „bewältigbar“ ist. Du bekommst Hilfe, aber keine direkt an deine Seite.
Ein Grundwissen über die Denkweise von Ayurveda ist sinnvoll, ebenso darüber, wie (Süd)Indien so tickt.
Der Aufenthalt ist keine Wellness, sondern Arbeit, besonders mit dir selbst.
Für ein umfassenderes Bild empfehle ich außerdem aus der Reihe „Mit meiner MS in Indien“ meine bereits 2017 veröffentlichten Beiträge:
#1 – Always different. Always same.
#2 – Barrieren und Brücken
#3 – 24/7 Ayush Prana
Schreib mir von deinen Abenteuern in der Welt, mit Ayurveda, mit MS!
Ich bin echt neugierig, wohin es dich treibt!
Bildquellen
- 089_BlogImage: Marit Mueller