„Meditation ist wie eine Ballonfahrt“ – Diesen Vergleich benutzte unser Lehrer Abhayada im Achtsamkeitsretreat von breathworks. Er ließ mich nicht mehr los, mehr noch: Er kurbelte die Gedankenmaschine an, und dies mündete im folgenden Artikel.
Im ersten Teil gehe ich der Frage nach, welche Gemeinsamkeiten sich zwischen einer Meditation und einer Ballonfahrt zeigen. Und danach dümple ich in meinem Gedankenstrom… absichtslos. Ballonfahrt und mein Dümpeln, beide beschäftigen sich mit der Widersprüchlichkeit von Meditation. Mit unserer Erwartung an diese, unserer Absicht hinterm Meditieren…
Und ich postuliere ganz frei, warum du deine Meditationserfahrung nicht werten solltest!
Meditation als Ballonfahrt
Wer schon einmal in einem Ballon durch die Luft gefahren ist, kennt dieses Gefühl, das sich im Körper ausbreitet im Moment des Abhebens: Die Aufregung, die eventuelle Höhenangst, alle Befürchtungen oder Vorbehalte lösen sich auf.
Was bleibt, ist die Bewegung. Der Ballon steigt oder sinkt, je nachdem ob, wann oder wie der Ballonfahrer den Brenner bedient und den Ballon mit Heißluft versorgt. In der Meditation bist du der Ballonfahrer. Und das Steigen und Fallen, das sind vielleicht deine Emotionen, die sich an einem Zwicken im Zeh oder am Gedankenstrom festhalten…
Währenddessen bewegt sich der Ballon stetig vorwärts, immer mit dem Wind. Allein der Wind bestimmt, wohin die Fahrt geht. Der Wind, der ist die Zeit, der ist das Leben, der tägliche Wahnsinn.
Gegen den Wind anzukämpfen, zu versuchen, ihn auszubremsen, zu beschleunigen oder gar umzulenken, all dies ist aussichtslos. Wie ein Anrennen gegen „Wind“mühlen. Wie ein Schwimmen gegen den Strom. In der Meditation ist dieses aussichtslose Anrennen vielleicht deine Verärgerung über das Zwicken oder über das Dümpeln im Gedankenstrom.
Wer schon einmal in einem Ballon durch die Luft gefahren ist, kennt die Ruhe im Ballonkorb. Der Korb knarzt. Der Brenner faucht. Und doch: Es herrscht Windstille, während sich der Ballon ohne Anstrengung vorwärts bewegt. Warum? – Weil Ballon und Wind die gleiche Geschwindigkeit haben. Für die Mediation kann das heißen, du bist mit dir im Einklang. Du bist genau jetzt im Jetzt.
Die Bewegung in der Ruhe
Dieses Sein in der Bewegung des Windes, das ist nicht immer einfach auszuhalten. Geben wir doch die Kontrolle ab über Richtung und Geschwindigkeit! Wohin trägt uns der Wind, wie lange noch?
Allein schon die Überlegung einer „Bewegung in der Ruhe“ klingt absurd. Das schließt sich doch aus! Ein Widerspruch in sich!
Ja, ein Widerspruch. Aber einer, der uns viel lehren kann. Über sinnfreies Anrennen gegen Windmühlen, über das Bejammern sich schließender Türen, über das planlose Verfolgen von zu vielen Plänen…
Halte inne und werde ruhig, heißt es in einem Zen-Gedicht [1]:
Halte inne und werde ruhig
Und die Ruhe bewegt sich.
Bewegung lässt sich doch nur erfahren, genießen und als dem Leben innewohnend annehmen, wenn wir auch die Ruhe zulassen. Das eine bedingt das andere. Bewegung ist nur erfahrbar, wenn wir die Ruhe kennen, wenn wir aus der Ruhe heraus handeln.
Die Bewegung in der Ruhe erlaubt uns, den Weg den wir wählen, der vielleicht auch uns wählt, anzunehmen.
Der Weg in der Ruhe
Erst dachte ich, wenigstens der Startpunkt der Ballonfahrt wäre definiert, sind es doch jedes Mal wir selbst, die einsteigen, sich hinsetzen. Nur! Wir können zwar jeden Tag um 17:00 Uhr in den Ballon steigen – uns zur Meditation hinsetzen, doch sind wir nicht jeden Tag um 17:00 Uhr die gleiche Person. Wir haben uns verändert, von gestern zu heute. Die Welt dreht sich weiter, der Wahnsinn zeigt sich heute in einem anderen Gewand…
Wenn also der Startpunkt von Tag zu Tag so variabel ist, wie soll dann der Endpunkt der Ballonfahrt jeden Tag der gleiche sein? Jeden Tag weht der Wind aus einer anderen Richtung, jeden Tag weht er in einer anderen Stärke: jeden Tag setzen wir an einem anderen Punkt wieder auf dem Boden auf. Und wie soll der Weg jeden Tag der gleiche sein? Ok, die Fahrt -die Meditation- dauert meinetwegen immer 20 Minuten. Aber fühlen sich die 20 Minuten auch jeden Tag gleich lang an? Gleich schnell, gleich weit? Mitnichten!
In absichtsloser Absicht
Der Weg in die Erleuchtung ist ein weiter. Das ist ganz normal, und vielleicht IST der Weg auch einfach das Ziel. Weil wir es aber mögen, das Benennen des Ziels und das Ankommen am selben, machen wir uns diesen Weg oft unnötig schwer.
Seien wir ehrlich!
WOHIN wollen wir eigentlich? WAS wollen wir erreichen, mit dem „gedankenlosen“ Sitzen und Atmen?
Warum das Ganze?
Wir freuen uns den ganzen Tag auf unsere „Ich-Zeit“, nur für uns, ohne Ablenkung oder Unruhe, einfach mal sein.
Seien wir ehrlich. So einfach ist die Sache nicht. Unsere schöne „Ich-Zeit“ wird torpediert von einem Zwicken hier und da, von Gedanken in Dauerschleife, von Müdigkeit und so weiter. Und schlussendlich stellen wir fest, dass heute wohl nicht der Tag für sowas ist. Und wir bleiben enttäuscht zurück:
- dass wir das Meditieren wohl doch nicht können…
- dass es doch aber gestern sooo schön war und warum heute nicht…
- dass das doch alles nichts bringt…
Und uns überfällt großer Unmut…
In absichtsloser Absicht!
Genau diese Enttäuschungen habe ich auch erlebt. Dieses: Warum „klappt“ es denn heute nicht? Gestern hat es das doch!
Irgendwann habe ich für mich entschieden, den Weg der Meditation nicht mehr zu hinterfragen. Ich frage nicht mehr: WOHIN will ich? WAS will ich damit? Denn vielleicht gibt es keinen Weg und damit auch kein Wohin. Und ohne ein Wohin auch kein Was…
Die Enttäuschungen verschwanden. Ich ent-täuschte mich sozusagen. Und fand hinter dem Weg der Meditation den ihr eigenen Widerspruch.
Das Widersprüchliche der Meditation liegt wohl darin, dass diese „gelingen“ kann, wenn sie sowohl in voller Absicht, aber gleichzeitig absichtslos geschieht.
Das Gehirn verknotet sich gerade? Dann vielleicht so:
Die Handlung selbst geschieht frei von Absicht, -absichtslos-, |
= „ich verfolge im meditieren kein Ziel“ |
wobei der Entschluss zur Handlung sehr wohl einer Absicht bedarf. | = „ich meditiere jetzt für x Minuten“ |
Der Entschluss ist gar nicht das große Ding, auch nicht das Hinsetzen und Sitzenbleiben. Das bekommen wir schon irgendwie hin. Nee, das Drama liegt IM Sitzen. In der Zeit, die verstreicht. Im Weg, den wir mit der Meditation beschreiten wollen. Und dem, was während des „IM“ passiert. Oder auch nicht.
Dabei liegt es nun mal in der Natur der Sache, dass nicht jede Meditation ein Hochgenuss ist. Es liegt aber an uns, dies anzuerkennen und anzunehmen.
Seien wir ehrlich! Unser Alltag ist nun mal, was er ist. Eben der ganz normale Wahnsinn, voller Auf und Ab, Vor und Zurück, voller Wendungen, Sackgassen und Überraschungen.
Und wenn wir sagen, ‚Ja, ich habe Meditation und Achtsamkeit in meinen Alltag aufgenommen‘, dann werden beide zu Teilen dieses Wahnsinns. Und wieder ist es an uns, dies anzuerkennen und anzunehmen.
Und genau über dieses Anerkennen und Annehmen des Widerspruchs lässt sich selbiger auflösen: Im Fokus unserer Aufmerksamkeit wird er zum unlösbaren Problem. Mit Abstand betrachtet verliert er jedoch an Bedeutung…
Warum du deine Meditationserfahrung nicht werten solltest
Ein Resümee. Ein erhobener Zeigefinger gegen den Perfektionismus!
- Im Meditieren gibt es kein Richtig oder Falsch. Beides sind Wertungen, die hier nix verloren haben. Und bedenke: Im Augenblick, in dem du merkst, dass du abgelenkt bist, bist du des Augenblicks gewahr!
- Dem Meditieren geht ein Entschluss, eine Absicht voraus. Die muss man nicht rausposaunen, ein kleiner Wecker um 17:00 Uhr reicht.
- Das Meditieren erfolgt ohne feste Absicht. Denn allein der Fokus, „ich meditiere jetzt täglich und in 3 Monaten will ich ein besserer Mensch sein“, verbaut dir jedes Wachsen.
- Das Meditieren führt dich in eine Veränderung, wenn du den Widerspruch der absichtslosen Absicht zulässt.
- Zu Meditieren heißt nicht zwangsläufig, für x Minuten in Stille zu sitzen. Ich meine, jede Handlung, die deinen Gedankenstrom verlangsamt, ausdünnt oder umleitet, ist meditativ.
- In der Ruhe liegt die Kraft, sagt man. In der Ruhe liegt auch die Bewegung, die Veränderung verborgen. Also gönne dir Ruhe.
Vielleicht ist der Text nicht umfassend, nicht abschließend, nicht ausführlich, nicht eindeutig, nicht präzise, nicht…
Aber was solls. Ist der Rest des Lebens ja auch nicht!
[1] Vidyamala Burch: Gut leben trotz Schmerz und Krankheit, … Seite 121
Bildquellen
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