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Verortet? Verankert? Mein Standort in der Welt und im Leben

Ich wollte mal Astronautin werden. Später dann lieber Archäologin. Studiert habe ich eines der MINT-Fächer… Von all dem habe ich mich verabschiedet. Und frage mich…

Wer bin ich? Wo stehe ich?

Dröseln wir es diesmal von hinten auf. Ich habe meine Koordinaten gesetzt in der

diseasemaps.org

Dort stelle ich mich mit meiner MS vor!

Die Karte verortet mutige Menschen. Die sich mich ihrer Erkrankung und ihrer Geschichte raus trauen. Die selbst anregen wollen, zum Nachdenken, Umdenken, Anerkennen.

Und so antworte ich den Interviewfragen von diseasemaps.org (Auszug):

For what medical specialties have you been treated? What has been the most useful specialty for your? * In welchem medizinischen Fachgebiet wurdest du behandelt? Was hat dir dabei am meisten genützt?

Ich bin 12 Jahre der klassischen Schulmedizin mit Interferonen und Kortison gefolgt. Das war bis dahin in Ordnung, denn mein Horizont reichte bis dahin auch nur bis zum Rand der Schulmedizin. Seit 2013 bin ich auf „Abwegen“, weil die klassische Schulmedizin für mich nur noch Antworten mit Zirkelbezug bietet und einfach nicht „aus ihrer Haut“ kann. Sh. nächste Frage.

What has been the most useful thing for you so far? * Was hat dir bisher am meisten genützt?

Mich begleiten nachhaltig die Sowi-Therapie (sowi-therapie.de), das Achtsamkeitstraining (breathworks.de), die Lebensentwürfe des Ayurveda allgemein und MS-spezifische ayurvedische Kuren (msayurveda.com). Seit September 2017 folge ich außerdem dem Coimbra-Protokoll (coimbraprotokoll.de) – hier ist es für eine Validierung aber noch zu früh.

What have been your biggest difficulties? * Was sind bisher deine größten Einschränkungen?

Ich bin stark gehbehindert mit Gleichgewichtsstörungen und einer einseitigen Fußhebeschwäche (ich benutze eine Spiralorthese und Walkingstöcke). Weiterhin zeigen sich Taubheit und Sensibilitätsstörungen, Spastiken und Schmerzen in den Extremitäten. Allem vorgelagert erlebe ich seit einigen Wochen die Fatique stärker denn je.

What would you like to do if you didn’t have your condition? * Was würdest du gerne tun, wärest du nicht in deinem jetzigen Zustand?

Ich würde gern den Wanderweg durch die Schwedenlöcher in der Sächsischen Schweiz gehen. Einfach ohne Einschränkungen loslaufen.

If you had to describe your life in a sentence, what would it be? * Wenn du dein Leben in einem Satz beschreiben würdest, wie würde dieser lauten?

Mein Leben ist schwierig, aber nicht unmöglich.

Finally, what advice would you give to a person in a similar situation? * Welchen Rat würdest du einem Menschen in einer ähnlichen Situation wie deiner geben?

Werde dir deiner Selbst bewusst. Erkenne liebevoll, warum du dich in deine Krankheit getrieben hast. Deine Erkenntnis ist dein Schlüssel zur Heilung. Und dann handle.

Weltkarte von Multiple Sclerosis

Doch nehmen wir das englische Wort disease für Krankheit/Erkrankung/Leiden (www.linguee.de) mal auseinander.

Dis-Ease – Nicht-Leichtigkeit

ease … Leichtigkeit, Mühelosigkeit, Bequemlichkeit

dis- … als negierende Vorsilbe

Die Erkrankung ist also mitnichten eine einfache Sache, die man mal eben nebenbei so hat. Die man mit Leichtigkeit wegsteckt. Diese Erkrankung ist da. 24/7 – ob sie sich nun für „die Anderen“ offensichtlich zeigen oder sich verborgen hält.

Meine MS ist keine einfache Sache, sie ist 100%ig 24/7. Sie ist sichtbar und nimmt gerade sehr viel Raum ein. Und verdrängt mich aus vielem Vertrauten, Gewohnten, eigentlich alltäglichem.

Und darum fällt es mir nicht immer leicht, so frohgemut wie im o.g. Interview zu sein.

Denn, wenn ich gerade so viel verliere, wo stehe ich dann?

… in der Welt?

Viele Freunde sind in der Ferne, oder sogar mir fern geworden. Unerklärlich unerreichbar. Gedanklich wie räumlich. Ich bin mir gerade selbst die Nächste, gerade weil ich immer oder wieder einmal alles mit mir selbst ausmache.

Ich bewege mich in Erfahrungsblasen. Die der Pharma ist um mich herum geplatzt, denn irgendwann zweifelte ich an ihrer Stabilität. Und die Hülle wurde dünn und porös. Wieder bin ich einer Blase, freiwillig. Schwimme in ihr und lasse mich von ihr treiben, in der Hoffnung und Erwartung einer Regung von Besserung.

… im Leben?

Ich bin eindeutig krank. Lange sah ich es nicht, lange wiegelte ich ab. Doch nun, wenn ich im Formular R0215 Satz für Satz mein Befinden festhalte, wird es deutlich. Mag sein, dass ihr alle sagt, es geht doch „noch so viel“. Ja, so viel Ernüchterung.

Ich bin mit mir zweideutig im Reinen, es gibt nur noch Ja UND Nein. Ich verzweifle in meinem Mut. Ich lebe in fatalistischen Gedankenspiralen.

Ich löse mich auf, in den digitalen Räumen voller digitaler Identitäten und digitaler Stories. Mir fehlt die Energie für das „echte Leben“. Ich kann nicht mehr mithalten. Doch definieren wir unser Sein nicht am Mithalten, Mitziehen?

Meine Gedanken sind düster, das weiß ich.

Ich weiß auch

Ich sollte echt nicht jeden Sch*** glauben, den mir mein Ego erzählen will. Und lieber mein größter Aufrichter sein!

Gern würde ich mir mein Weltbild neu malen. So wie die Menschen unten rechts auf dem Globus. Die nicht immer nur da unten rechts sein wollten. Sie waren schlau, sie haben das gängige Weltbild nach ihrem Befinden korrigiert:

Quelle: Marit Mueller
052_universal corrective map of the world

Beim Schreiben erkenne ich meine Aufgabe: das Definieren meines Stand-Ortes. Denn ich habe zu vielem einen festen Stand-Punkt. Und das mit dem kräftigen Stand-Bein wird sich fügen… Ganz sicher.


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Bildquellen

  • 052_universal corrective map of the world: Marit Mueller
  • 052_BlogImage: Marit Mueller

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